Dem Bildungsbereich „Musisch-ästhetische Bildung und Medien“ geht es darum, die vielfältige Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit von Kindern zu erhalten und zu erweitern.
Thema und Umsetzung
Ästhetische Erfahrungen bilden den Anfang der Bildungsprozesse des Kindes. Das Wort Ästhetik kommt aus dem Griechischen und bedeutet „viel-sinnliche Wahrnehmung“. Kinder entdecken die Welt mit allen Sinnen. Noch vor einem Sprach- oder Symbolverständnis ist die sinnliche Wahrnehmung für sie das erste Fenster zur Welt. Über ihre Sinne erschließen sich Kinder die ihnen unbekannte Welt. Sie differenzieren ihre Wahrnehmung, erkennen in der Vielfalt erste Muster und Strukturen. Sie ahmen diese nach, formen sie fantasierend um und gestalten sie neu. Ästhetische Erfahrungen bilden die Grundlage für kindliches Denken. Indem Kinder die Welt sinnlich wahrnehmen und ihren Wahrnehmungen Ausdruck verleihen, verbinden sie ihre innere und ihre äußere Welt und verfeinern ihre Wahrnehmung immer mehr. Kinder machen ihre Gedanken, Gefühle und Interpretationen in der Auseinandersetzung mit der Welt sichtbar. Sie geben ihnen Formen oder drücken sie in Farben oder Klängen aus. Der Bildungsbereich umfasst auch die Bandbreite der bildenden Künste (Malerei, Bildhauerei) und darstellenden Künste (Theater, Tanz) und der Musik. Die Beschäftigung mit musisch-ästhetischen Themen in Kindertageseinrichtungen kann die vielfältigen Wahrnehmungsformen der Kinder und ihre individuellen Ausdrucksformen unterstützen.
Begegnung mit Themen
Musik und Rhythmus
Rhythmen und Musik bestimmen schon früh die Entwicklung von Kindern. Sie lauschen Geräuschen und Liedern und antworten mit ihren Möglichkeiten. Sie erforschen die Klangeigenschaften unterschiedlicher Materialien. Gesang, Rhythmus und Musikinstrumente faszinieren Kinder, sprechen sie emotional und kognitiv an. Musik ist häufig mit Bewegung verbunden. Kinder tanzen, hüpfen oder laufen im Rhythmus der Musik. Aber auch andere Aktivitäten werden mit Musik verbunden – zum Beispiel malen, matschen, kneten.
Malen und Gestalten
In der Erfahrung und Auseinandersetzung mit vielfältigen Materialien drücken Kinder ihre Wahrnehmungen, Ordnungen, Gefühle, Ideen und Gedanken aus. Sie beobachten und geben ihre Beobachtungen wieder (malen Schattenbilder oder pausen Münzen ab). Sie variieren ihre Ausdrucksweisen (malen auf großen Blättern ihren Körperumriss, kneten sich aus Ton oder zeichnen ihr Portrait). Im Gespräch über ihr Handeln erzählen sie Geschichten und verbinden Gestaltetes mit Ideen (Warum haben wir einen Schatten? Sind unsere Beine länger als die Arme?).
Rollenspiele und Theater
Sich in andere Rollen hinein zu versetzen, ist ein wichtiger Entwicklungsschritt bei der Entdeckung der eigenen Identität. In Rollenspielen können Kinder ihre Gedanken und Gefühle ausdrücken. Sie werden Prinzessin oder Pirat, Schornsteinfegerin oder Sänger. Sie stehen auf einer großen Bühne vor vielen Kindern oder spielen zu zweit in einer Ecke des Gartens. In Puppenspielen, Rollenspielen oder Schattenspielen übernehmen Mädchen und Jungen andere Rollen und erweitern damit ihr Ausdrucks- und Handlungsrepertoire.
Medien
Kinder begegnen Medien schon früh – in Form von Büchern, bewegten Bildern im Fernsehen, Musik und erzählten Geschichten auf Hörspielkassetten oder im Radio, am Computer oder auf Spielekonsolen. Dabei sind sie keine Objekte der Medien, sondern setzen sich als Subjekte mit ihnen auseinander. „Kinder erfreuen sich an Mediengeschichten, leiden an ihnen, ängstigen sich, versuchen sie zu verstehen. Geschichten aus Büchern und Fernsehen sind kognitives Material, um sich mit der Wirklichkeit auseinanderzusetzen“, beschreibt das Deutsche Jugendinstitut. Welche Medienerfahrungen Kinder mitbringen, ist stark davon abhängig, welchen Zugang sie in ihren Familien zu Medien haben und welche Rolle diese hier spielen (Lesekultur, Fernsehgewohnheiten, Computernutzung). Dabei verändert sich die Art und Weise des Mediengebrauchs auch in Abhängigkeit vom Alter – je älter Kinder werden, desto eigenständiger werden sie in der Mediennutzung. Welche Bedeutung Medien für die Bildung von Kindern haben, hängt unter anderem davon ab, wie und wie lange sie sie nutzen. Die Beschäftigung mit Medien als Thema in Kindertageseinrichtungen kann eine aktive, vielsinnige Auseinandersetzung mit Medien unterstützen.
Medieninhalte
Medien erzählen Geschichten, bieten Informationen, eröffnen Kindern neue „Fenster zur Welt“. In Bilderbüchern, Filmen, Hörspielen können Kinder Bekanntes (wieder-)finden oder Neues entdecken. Wie mit diesen Inhalten umgegangen werden kann, unterscheidet sich je nach Medium: Bilderbücher lassen sich von vorne und hinten immer wieder „lesen“. Kassetten erzählen auch beim zwanzigsten Hören eine Geschichte auf die gleiche Weise. Filme im Fernsehen bieten diese Wiederholungsmöglichkeiten nicht. Allen Medien gemeinsam ist, dass die Inhalte, die Kindern hier begegnen, „Erfahrungen aus zweiter Hand“ darstellen – sie sind nicht direkt sinnlich erlebbar. Der Frosch im Bilderbuch oder im Fernsehen ist nicht lebendig. Er spricht nur wenige Sinne an, kann nicht mit allen Sinnen ganzheitlich wahrgenommen werden. Hinzu kommt: Die Welt, die Kindern in Bilderbüchern, Fernsehfilmen oder auf Hörspiel-CDs begegnet, ist immer schon vorinterpretiert. Damit können Medien „Erfahrungen aus erster Hand“ (selbst erlebte sinnliche Erfahrungen) nicht ersetzen, sehr wohl aber ergänzen.
Nutzung von und Umgang mit Medien
Im Umgang mit Medien erwerben Kinder immer auch Kompetenzen der Mediennutzung: Wie „liest“ man ein Bilderbuch? Wie wechselt man Fernsehkanäle? Wie schaltet man den Kassettenrecorder ein? Wozu kann man eine Zeitung nutzen? Wie benutzt man ein Lexikon?
Herstellung eigener Medien
Kinder können Medien auch selbst herstellen – sie malen ein Bilderbuch, nehmen eine Hörspielgeschichte auf, drehen einen Film, gestalten auf dem PC eineBildergeschichte. In diesen Tätigkeiten sind sie nicht nur Nutzer sondern Gestalter von Medien.
Bewertung von Medien
Mit zunehmendem Alter können Kinder eine analytische, distanziert-kritische Haltung zu Medien erwerben. Voraussetzung dafür ist, dass Kinder Bewertungskriterien entwickeln, nach denen sie Medien beurteilen: Was gefällt mir an diesem Bilderbuch? Was gefällt mir nicht? Worüber lache ich, wenn ich einen Film sehe? Wann bin ich aufgeregt? Wann fürchte ich mich? Wie wird eine Geschichte im Bilderbuch oder auf einer Kassette erzählt? Was finde ich dabei schön? Was nicht?
Anforderungen an Bildungsbegleitung
(Ästhetische) Wahrnehmung ist die Basis kindlicher Bildungsprozesse und spielt in der Bildungsförderung daher eine wichtige Rolle. Kindertageseinrichtungen bieten viele Möglichkeiten, Kinder bei der Aneignung musisch-ästhetischer Bildung und der Begegnung mit Medien zu unterstützen. Dabei spielen insbesondere folgende Aspekte eine Rolle:
Ganzheitliche Wahrnehmung (Wahrnehmung mit allen Sinnen) fördern
Kinder begegnen der Welt mit allen Sinnen: dem visuellen (Sehsinn), dem auditiven (Hörsinn), dem taktilen (Tastsinn), dem kinästhetischen (Bewegungs-, Kraft- und Stellungssinn), dem vestibulären (Gleichgewichtssinn), dem olfaktorischen (Geruchssinn) und dem gustatorischen (Geschmackssinn). Erst das Zusammenspiel der Sinne ermöglicht es dem Kind, die Welt in sich aufzunehmen. Bildungsbegleitung erfordert daher, komplexe, vielsinnige Wahrnehmung zu fördern, indem den Kindern ermöglicht wird, selbst zu sehen, zu hören, zu fühlen, zu handhaben, zu balancieren, zu riechen, zu schmecken.
Die Vielfalt des Ausdrucks fördern
Kinder drücken ihre Welt-Wahrnehmungen in vielen Sprachen aus. Dies erfordert von den pädagogischen Fachkräften, die vielfältigen Ausdrucksweisen der Kinder wahrzunehmen und ihnen Möglichkeiten anzubieten, diese zu erweitern. Pädagogische Fachkräfte können Kinder darin unterstützen, zu sagen, zu singen, zu malen, zu kneten, zu matschen, zu tanzen, zu spielen, zu toben, was sie bewegt.
Individuelle Wahrnehmung und individuellen Ausdruck in den Mittelpunkt stellen
Die Begleitung musisch-ästhetischer Bildungsprozesse ist nicht auf das Ergebnis ausgerichtet (das fertige Bild, das gelungene Lied, den gedrehten Film). Im Vordergrund stehen die Wahrnehmungen und die Erfahrungen des Kindes und seine Versuche, diese Wahrnehmungen und Erfahrungen auszudrücken.
Medienerfahrungen der Kinder aufnehmen, begleiten und erweitern
Welche Bedeutung Medien im Alltag der Kinder spielen, ist in jeder Familie unterschiedlich. Kindertageseinrichtungen können die Medienerfahrungen der Kinder aufnehmen, begleiten und, wo es sinnvoll erscheint, erweitern. Pädagogische Fachkräfte können Kindern Zugänge zu Bilderbüchern, Lexika oder Fachbüchern ebnen. Sie können ihnen ermöglichen, Fotos im Computer zu betrachten oder zu einer eigenen Kindergartenzeitung zusammenzustellen. Sie können Kinder aber auch darin unterstützen, ihre Medienerfahrungen zu verarbeiten. Dies gilt insbesondere, wenn Kinder in ihrer Familie Medien mehr passiv konsumieren als aktiv nutzen und einseitige (visuelle und auditive) Sinneserfahrungen überwiegen.
Die Entwicklung einer kritischen Medienbeurteilung begleiten
Kinder dürfen mit ihrer Auseinandersetzung mit Medien nicht alleine gelassen werden. Pädagogische Fachkräfte können Kinder darin unterstützen, ihre Medienerfahrungen auszudrücken und daraus Beurteilungskriterien für Medien zu entwickeln. Die Kinder können das wichtigste, lustigste, traurigste oder schaurigste Bilderbuch wählen, die interessanteste Kassette oder den langweiligsten Film. Dazu braucht es immer eine Verständigung darüber, was als spannend, schön, langweilig, traurig oder lustig empfunden wird.
Musisch-ästhetische Bildungsanlässe im Gemeinwesen suchen
Es gibt vielfältige Möglichkeiten zur Entdeckung musisch-ästhetischer Ausdrucksformen im öffentlichen Raum. Auch hier können Kinder Kunst begegnen – der Skulptur eines Bildhauers, einem Theaterstück, einem Konzert, einem Film oder einer Ausstellung.
Ein Blick auf die Null- bis Dreijährigen
(Ästhetische) Wahrnehmung ist für Säuglinge und Kleinkinder der erste Zugang zur Welt. Eine Unterstützung ihrer Wahrnehmungs- und Ausdrucksfähigkeit geschieht vor allem durch eine anregungsreiche Umgebung, die sich Kinder dieses Alters selbsttätig mit allen Sinnen aneignen können. Dafür brauchen sie sichere Bindungen und Erwachsene, die ihnen bei der vielsinnigen Erkundung der Welt Zeit lassen.
Ein Blick auf die Schulkinder
In diesem Alter steigt die Nutzung insbesondere von elektronischen Medien deutlich an. Viele Schulkinder haben unkontrollierten Zugang zu zahlreichen Fernsehkanälen, Videospielen und zum Internet. Damit stellen sich an außerschulische Bildungseinrichtungen neue Herausforderungen der Begleitung. Fachkräfte können Kinder vor dem Hintergrund ihrer individuellen Lebensverhältnisse darin unterstützen, Medien und ihre Wirkungen kritisch zu beurteilen, zielgerichtet und angemessen zu nutzen und (zum Beispiel durch die Produktion eines Videofilms) auch selbst herzustellen.